Möwen gehörten lange Zeit zum bekannten Bild des Bodensees und gelten für manche noch immer als Quälgeister. Doch wie bei vielen anderen Vogelarten am größten Binnengewässer Deutschlands ist ein markanter Artenschwund eingetreten. Die oft riesigen Schwärme von Möwen, die einst die Schiffe und Fähren umkreisten, scheinen Vergangenheit zu sein. Ornithologen und Naturschützer gehen davon aus, dass von früher 30 000 bis 40 000 Lachmöwen – der am Bodensee häufigsten Art – zurzeit gerade mal noch etwa 10 000 hier überwintern.
Etwa 300 Vogelarten gibt es an dem 536 Quadratkilometer großen Bodensee. Die Möwen sind dabei oft diejenigen, die Anwohnern und Touristen besonders ins Auge fallen. Harald Jacoby, der langjährige ehrenamtliche Vorsitzender des Nabu-Naturschutzzentrums Wollmatinger Ried, hat auf Anhieb keine eindeutige Erklärung für die markanten Rückgänge. Neben den Einflüssen intensivierter Landwirtschaft, so glaubt Jacoby, liege dies aber womöglich auch am zuletzt immer sauberer gewordenen Bodensee. Weniger Nährstoffeinträge und weniger Phosphate – die auch die Zahl der Fische reduzierten – wirke sich eben auch auf die Nahrungskette aus, sagt er. „Insgesamt gibt es weniger Bioproduktion in den Flachwasserzonen und im Seeschlamm. Das führt auch zu weniger großen Beständen an Schnecken oder Algen.“ Folglich könnten sich auch weniger Konsumenten insgesamt ernähren, so Jacoby, der die Lachmöwe „als Allesfresser“ bezeichnet, der teilweise auch „von den Abfällen der Wohlstandsgesellschaft“ gelebt habe.
Die letzten Zählungen im Dezember, so berichtet Jacoby, seien noch einmal sehr ernüchternd gewesen: „Da haben wir nur etwa 6000 Möwen zusammengebracht.“ Er geht aber davon aus, dass diese Zahl nicht den gesamten Bestand beschreibe – anders als bei den Entenarten, die an den See gebunden bleiben, seien „die Möwen tagsüber unterwegs auf Wiesen und Feldern oder eben in den Bodenseehäfen“. Jacoby benennt den Höhepunkt überwinternder Möwen am Bodensee mit den Jahren 1975 bis 1980. Seitdem gebe es „einen kontinuierlichen Rückgang“. Zurzeit seien es nur noch 20 Paare, die am Bodensee auch brüteten. Früher seien es, allein im besagten Ried, noch bis zu 100 Möwen-Pärchen gewesen.
Quelle: Stuttgarter Nachrichten, 09,01.19
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