Eine Ruckrede für den Naturschutz

Im Krefelder Rathaus ist der Naturschützer und Jäger Paul Nothers mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt worden. Statt üblicher Dankes-Folklore warnte er in der Rede vor einem dramatischen Artensterben – und nannte Rettungsmöglichkeiten. Die Rede war so ungewöhnlich wie zielführend, der Jäger würde sagen: ein Volltreffer. Im Krefelder Rathaus hat der Orbroicher Naturschützer und Jäger Paul Nothers gestern aus den Händen von Oberbürgermeister Gregor Kathstede das Bundesverdienstkreuz erhalten. Der feierliche Rahmen hätte Anlass zu einer Dankesfolklore geboten, an die sich ein Umtrunk mit Sekt anschließt. Das genau wollte Nothers aber nicht – er hielt eine Ruckrede für den Naturschutz, mit dem sich der Jäger und diplomierte Landwirt seit Jahrzehnten beschäftigt.

Ein Satz saß besonders: "Ist es Ihnen schon aufgefallen, wie wenig es summt in den letzten Jahren?", fragte Nothers. Man fühlte in diesen Minuten, dass diese Rede ihre Wirkung nicht verfehlen wird.

Wie gefährdet die Tierwelt in Krefeld ist, machte er mit einem eindringlichen Vergleich deutlich: "Vor über 50 Jahren zog ich auf den Hof meiner Familie in Orbroich. Da war die Welt noch in Ordnung. Insekten überall, Wild, Hasen, Kaninchen, Rebhühner und Fasane im Überfluss. Singvögel hörte und sah man ständig. Wer eine längere Fahrt im Auto unternahm, musste bald seine Windschutzscheibe von Insekten säubern." Heute aber würde er viele dieser Tiere nicht mehr sehen: "Mit den fehlenden Insekten verschwindet der Anfang der Nahrungskette. Amphibien sterben, Wespen, Heimchen und Schmetterlinge gehen stark zurück. "

Die neuesten Untersuchungen der Entomologen wiesen für 2013 gegenüber 1989 einen Rückgang der Insekten um 80 Prozent im Naturschutzgebiet Orbroich aus, schilderte Nothers, erwähnte auch eine Studie des Bundes für Umwelt- und Naturschutz, nach der das Insektensterben mit dem Einsatz neuartiger Pestizide, sogenannter Neonikotinoiden, zusammenhängt. Diese 1991 erstmals eingeführten Insektizide würden zur Pflanzenbehandlung aber auch direkt zur Saatgutbehandlung eingesetzt. "Wird ein Saatgut damit gebeizt, wandern die Insektizide in die Pflanze vom Stängel bis in die Blüten und Pollen. Jedes Insekt, das dann davon nascht, stirbt." Zuerst seien daran die Bienen gestorben, schildert Nothers. "Das daraufhin eingesetzte Vogelsterben hat eine bisher nicht gekannte Dimension erreicht."

Ins Rathaus war gestern zur Ehrung auch der CDU-Europaabgeordnete Karl-Heinz Florenz gekommen. Nothers dankte ihm dafür, dass die EU reagiert hat und Regularien für den Einsatz von Neonikotinoiden aufgestellt hat – in Deutschland wirkt dieses Verbot ab 2015. Nothers nannte auch Rettungsmöglichkeiten, die Krefeld angehen könnte. "Wir müssen den Insekten konkret helfen, damit der Naturkreislauf wieder in Gang kommt." Er forderte bessere Messtechniken für das Umweltamt. "Wir sollten uns diese Untersuchungstechniken leisten." Ein schönes Beispiel für die Vielfalt von Hilfsmaßnahmen, die wir in Krefeld zur Unterstützung von Insekten und Vögeln anwenden, sei das Blühstreifenprojekt. Landwirte, Imker, Insektenforscher und das Krefelder Grünflächenamt würden dort zusammenarbeiten.

Oberbürgermeister Kathstede sagte am Ende: "Das war ein leidenschaftliches Plädoyer, auch dafür hat sich diese Feierstunde gelohnt."

Quelle: RP, 11. April 2014
http://www.rp-online.de/nrw/staedte/krefeld/eine-ruckrede-fuer-den-natu…