Neue EU-Agrarpolitik: Rückschritt statt Aufbruch

Die Wissenschaftlichen Beiräte für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) sowie für Biodiversität und Genetische Ressourcen übergaben zwei dicke Gutachten an
Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). Allein das Papier der 19 Top-Agrarexperten hat 93 Seiten. Doch auf Klöckners Wunsch hin geschieht das hinter verschlossenen Türen und ohne Kameras. Die Gutachten der Beiräte bergen Sprengstoff. Es geht um die Verteilung der 365 Milliarden Euro, mit denen Europas Steuerzahler die Landwirtschaft künftig unterstützen sollen.

Vergangene Woche hat die EU-Kommission Vorschläge für die Förderperiode bis 2028 vorgelegt. Demnach sollen die sogenannten Direktzahlungen weiterhin den größten Anteil des Budgets verschlingen: Gelder, die Landwirte pro Hektar Boden bekommen - ganz egal, ob darauf mit Glyphosat behandelter Mais angebaut oder Paprika pestizidfrei gezüchtet wird.

Die Kommission habe "wichtige deutsche Anliegen berücksichtigt", lobte Klöckner eilfertig. Auch Deutschland sehe die Direktzahlungen "als wesentliches Instrument der Einkommenssicherung" der Landwirte an. Deutschlands Agrarökonomen im WBAE sehen das freilich völlig anders. Sie empfehlen im Gegenteil, die Direktzahlungen sukzessive ganz abzuschaffen. Statt dass weiterhin demjenigen, der hat, gegeben wird, soll künftig der, der etwas für die Allgemeinheit leistet, belohnt werden - das ist die Quintessenz ihres Papiers mit dem Titel "Für eine gemeinwohlorientierte Gemeinsame Agrarpolitik der EU nach 2020". Die bisherige EU-Politik verfehle dramatisch ihre Ziele, urteilen die
Experten. Nutztiere leiden unsichtbar im Stall, Insekten und Vögel sterben einen leisen Tod, und der Klimaschutz findet vor allem auf dem Papier statt.